Fernab der Realität – Politik und energetische Sanierung
Bei der energetischen Sanierung kommt Deutschland nicht voran. Warum, hat Dr. Oliver Arentz kürzlich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erläutert. Die Gesetzgebung vergisst den Faktor „Mensch“. Das belegt der stellvertretende Geschäftsführer des Kölner Instituts für Wirtschaftspolitik in seinem Artikel sehr schlüssig.
Wer energetisch saniert, verbraucht weniger Energie. Wer das glaubt, hat noch nie etwas von Verhaltenswissenschaften gehört. Das freiwerdende Einkommen kann man schließlich genauso gut nutzen, um mehr zu heizen! Eine andere Hypothese besagt: Hauseigentümer unterlassen energetische Maßnahmen, weil sie nicht ausreichend über die wirtschaftlichen Vorteile informiert sind. Tatsächlich aber haben viele Eigentümer Energieeffizienzmaßnahmen bereits durchgeführt. Relativ preiswerte Varianten wie die Dämmung des obersten Geschosses zum Beispiel. Nur: Weiterführende Maßnahmen lohnen sich in vielen Fällen kaum. Selbst wenn die Besitzer einen Kredit bei der staatlichen Förderbank KfW aufnehmen. Wer hätte das gedacht? Die Leute können selbstständig rechnen.
Ebenfalls wenig durchdacht ist die Novelle der Energieeinsparverordnung aus diesem Jahr. Diese schreibt eine Verschärfung der Neubaustandards vor. Der Effekt ist absehbar – Bauen wird teurer. Eine Preissteigerung von vermutlich 5 Prozent trifft besonders Hausbauer aus dem mittleren bis niedrigen Preissegment. Und den sozialen Wohnungsbau, für den sich sowieso kaum private Investoren finden. Neben den anfänglichen Baukosten steigen zudem die Lebenszykluskosten der Immobilien. Denn die entsprechenden Anlagen müssen gewartet und instandgehalten werden. Das Schlimmste an der Neureglung ist jedoch, dass sie ihre Wirkung verfehlt. Bei einer Neubauquote von derzeit 0,5 Prozent ist nämlich nicht davon auszugehen, dass der Klimaeffekt besonders hoch ausfällt.
Wie sieht es bei den Häusern im Bestand aus? Um die Klimaziele zu erfüllen, ist eine Verdopplung der Sanierungsrate von aktuell einem auf zwei Prozent notwendig. Eine große Hürde bei der Verwirklichung dieses Ziels ist die Struktur des Häusermarktes. Drei Viertel aller Wohnungen gehört Privatpersonen. Deren betriebswirtschaftliche Interessen sind vielfältig. Senioren kalkulieren anders als junge Leute, Familien anders als Alleinstehende. Die pauschalen gesetzlichen Vorgaben werden der Wirklichkeit nicht gerecht. Ebenso wenig werden die Modellrechnungen der Gesetzgeber den Lebenszyklen der Häuser gerecht. Diese basieren auf der Annahme, dass ohnehin umfassende Sanierungen anstehen. Doch ein Haus mit geklinkerten Außenwänden hat einen Zyklus von bis zu 150 Jahren. Dass ausgerechnet jetzt Baumaßnahmen fällig sind, ist folglich unwahrscheinlich.
Weiter ergänzt Arentz seine Kontra-Liste um einen Punkt, der in den technischen Bereich gehört – Brand- und Schimmelrisiken, welche eine Hausdämmung nachweislich mit sich zieht. Die daraus resultierenden Folgekosten sind nicht in den Modellrechnungen eingepreist, was die Ergebnisse zu Ungunsten der Hausbesitzer verzerrt.
Der Autor schwingt sich schließlich zu einer Generalkritik auf. Gebäudebesitzer sind in der Regel nicht am unteren Rand der Gesellschaft zu finden, erhalten aber Subventionen und steuerliche Begünstigungen, wenn sie sanieren. Das widerspräche dem Grundsatz der Umverteilung von oben nach unten. Besonders kritisch: Obwohl kein Zusammenhang mit dem Klimaschutz gegeben ist, profitieren Hauseigentümer mit den höchsten Grenzsteuersätzen am stärksten von Steuervorteilen. Zuletzt äußert Arentz den Verdacht, dass die Subventionen Ursache für den starken Preisanstieg „energietechnisch relevanter Bauelemente“ sind. Man möchte ihm beipflichten.
Als Richtschnur für die Zukunft rät Dr. Arentz in den Vorschriften „Spielraum für einfache und flexible Lösungen zu lassen“. Und auch da möchte man ihm beipflichten.