Chefnotiz am Sonntag 01.12.2013

Ohne Grosse Koalition – Energieversorger verstaatlicht?

Die Inhalte des Koalitionsvertrags stehen jetzt. Sie wurden in Arbeitsgruppen aus CDU und SPD zusammengetragen. Auffällig : Folgende Zeilen im Abschlusspapier der „Umwelt-AG“.
"Unser Ziel ist es, in Deutschland die Sicherheit des Restbetriebs der Kernkraftwerke und ihrer Entsorgung auch finanziell zu sichern (…) Zur Sicherstellung der Finanzierung der nuklearen Entsorgung könnte ein öffentlich-rechtlicher Fonds in Betracht kommen."
Dieser Abschnitt hat es zwar nicht in den Vertrag geschafft. Aber die Koalition ist ebenfalls noch nicht besiegelt. Votiert die SPD-Basis dagegen, steht der CDU weiterhin ein Bündnis mit den Grünen offen. Und die befürworten schon lange einen solchen Fonds.
Was genau würde das also bedeuten? Kurz zum Hintergrund: Bisher haben die vier großen Energieversorger E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW in Eigenregie für Rückstellungen gesorgt. Insgesamt 34 Milliarden Euro stehen für den Rückbau der Atomkraftwerke in den Bilanzen. Wohlgemerkt: In den Bilanzen. Das Geld steht somit nicht zu freien Verfügung, sondern ist in Kraftwerken und Netzanlagen angelegt.
Ohne Energiewende war das kein Problem. Doch genau die hat die Konzerne in eine bedrohliche Schieflage gebracht. Das ehemals lukrative Geschäft mit den Atomkraftwerken muss spätestens 2022 eingestellt werden. Mit Kraftwerken auf Gas- und Kohlebasis lässt sich auch immer weniger verdienen – sie werden von den Erneuerbaren aus dem Markt gedrängt.
Die Sorge, die Konzerne könnten darüber zahlungsunfähig werden, ist nicht unbegründet. Und die Frage, wer anschließend für den Rückbau aufkommt, berechtigt. Daher die Idee der Umwelt-AG, die Rückstellungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen.
Bloß: Für die Konzerne könnte das Auslagern aus ihren Bilanzen sogar den Ruin bedeuten. Schließlich leiden die Unternehmen nicht nur unter dem Rückgang der Gewinne. Zeitgleich stehen enorme Investitionen an – etwa in den Ausbau der Netze.
Das wäre wirklich paradox. Die Insolvenz tritt ein, weil man genau diese fürchtet. Die Anschlussfrage drängt sich auf: Was geschähe in dem Fall mit den Versorgern? Würden sie vielleicht – analog zu den Banken während der Finanzkrise – verstaatlicht? Wenn ja, worin läge der Nutzen? Denn das finanzielle Risiko für Energieversorgung und Energiewende läge dann erst Recht beim Steuerzahler.
Bis zur endgültigen Regierungsbildung sind die Energieversorger nicht auf der sicheren Seite. Und selbst danach werden sie in Hab-Acht-Stellung bleiben. Der Geist ist nämlich aus der Flasche gelockt – so oder so.