Fehleinschätzung bei Frauenhofer: Beschleunigte Energiewende
Russland droht mit einer Erhöhung der Energiepreise. Das klingt alarmierend. Schließlich bezieht die EU gut ein Drittel ihrer Energie aus Russland. Doch vorweg erst mal Entwarnung: Seit der Ankündigung sind die Preise an der Energiebörse EEX um drei Prozent gesunken. Außerdem dürften langfristige Verträge für relative Sicherheit sorgen. Nicht zuletzt, weil ein Vertragsbruch Russland teuer zu stehen käme.
Trotzdem bereitet die Androhung Sorge. Was also kann man tun? „Erdgassubstitution durch eine forcierte Energiewende“ lautet ein Vorschlag des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik. Das Institut hat diesen Juni eine Kurzstudie dazu herausgebracht. Die Idee: Durch Beschleunigung der Energiewende lässt sich die Importabhängigkeit generell und von Russland speziell deutlich eher beenden. Die größte Einsparmöglichkeit sehen die Autoren im Wärmesektor. Denn: Im Referenzjahr 2012 wurden in Deutschland 902 Terawattstunden an Gas verbraucht, etwa 85 Prozent in der Wärmeproduktion. Die Studie schlägt deshalb eine deutliche Beschleunigung der Gebäudesanierung vor. Derzeit liegt die Sanierungsrate bei 0,8 Prozent. Bei einer Erhöhung auf drei Prozent ließen sich bis 2025 rund 160 Terawattstunden (TWh) an Erdgas und bis 2037 260 TWh einsparen. Sortiert nach Höhe der Einsparmöglichkeiten, hier die restlichen vorgeschlagenen Technologien:
- Wärmepumpen: Bis 2025 circa 75 TWh; bis 2050 170 TWh.
- Power-to-Heat: Bis 2025 17 Terawattstunden. Langfristig 65 TWh.
- Biogene Festbrennstoffe: Bis 2025 rund 15 TWh; bis 2050 etwa 35 TWh.
- Regenerative Erdgassubstitute: Bis 2020 16 TWh; bis 2030 30 TWh. (Die Studie bezieht sich auf die Ziele der Bundesregierung, festgelegt im „integrierten Energie- und Klimapaket der Bundesregierung“ (IEKP)).
- Solarthermie: 1 TWh Erdgas bis 2025. 6 TWh Erdgas bis 2050.
Zuletzt thematisiert: Das Potential von Fracking und Flüssiggas (LNG). Fracking wird jedoch eine generelle Absage erteilt. Zu groß seien „ökonomische Probleme und ökologische Bedenken“. LNG könne hingegen zu einer Diversifizierung der Importstruktur beitragen. Allerdings sei der Bau eines eigenen LNG-Terminals in Deutschland nicht notwendig. Warum eigentlich? Mit der Frage wird der Leser allein gelassen. Ebenso kurios: Auf der einen Seite lehnen die Verfasser Fracking ab, auf der anderen Seite befürworten sie LNG. Bekanntermaßen rührt ein Großteil der LNG-Kapazitäten aus den Fracking-Aktivitäten der USA. Mit anderen Worten: Fracking ist nur dann „ökologisch unbedenklich“, wenn es nicht im eigenen Land stattfindet. Die Liste der Gegenargumente lässt sich fortführen:
- Häuser sanieren sich nicht von allein und schon gar nicht umsonst. Klar ist, diese Methode treibt die Kosten der Energiewende gewaltig. Zudem käme eine Pflicht (wie sonst will man die Quote erreichen?) zur Gebäudesanierung einer Enteignung der Eigentümer gleich. Und ist somit klar abzulehnen.
- Biogene Festbrennstoffe – in diesem Fall Holz – beschreiben die Verfasser immerhin selber als kritisch. Das Potential sei „durch ökologische Randbedingungen beschränkt“.
- Der Einsatz regenerativer Erdgassubstitute – insbesondere Biomethan – ist ebenso fragwürdig. Die Stichworte „Monokultur“ und „verstärkter Düngereinsatz“ fallen zwar. Das dient aber nur der Polemik – die Autoren stellen eventuelle Vorbehalte unter den Verdacht der Pauschalisierung. Kein Wunder, alles andere wäre nicht gut für ihre Studie.
Lediglich Wärmepumpen, Power-to-Heat und Solarthermie ließen sich ökonomisch und ökologisch sinnvoll einzusetzen. Doch damit allein lässt sich keine forcierte Energiewende betreiben. Das Papier darf man wohl getrost zur Seite legen.